Oft liegt es nicht an mangelndem Talent, sondern am nicht-akademischen Familienhintergrund, wenn Jugendliche ihre Chancen zu studieren nicht wahrnehmen können. In OWL arbeiten seit 2017 Talentscouts in 55 Kooperationsschulen daran, diese Bildungsbarrieren abzubauen und Talente auf ihrem Weg zu begleiten. Jetzt sind 17 weitere Schulen aus der Region in das Programm aufgenommen worden und das Gymnasium St. Xaver ist eines davon.
Junge Menschen dabei zu begleiten, ihre beruflichen Interessen, Potenziale und Ziele zu entdecken, und zwar unabhängig von ihrer Herkunft und dem Bildungsstand der Eltern – das ist die Aufgabe von Talentscouts. Die Idee des NRW-Landesprogramms Talentscouting ist 2010 im Ruhrgebiet entstanden.
Gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (MKW NRW) wird das Programm in Ostwestfalen-Lippe (OWL) seit 2017 ebenfalls umgesetzt, seit dem vergangenen Jahr in noch einmal ausgeweiteter Form mit zehn Talentscouts, die in der Region aktiv sind. Das alles geschieht unter dem Dach von Campus OWL, dem Verbund der fünf staatlichen Hochschulen der Region.
Bislang wurden insgesamt 4.550 Talente an 55 Kooperationsschulen in OWL gescoutet. Am vergangenen Donnerstag wurden an der Hochschule Bielefeld (HSBI) nun 17 weitere Schulen feierlich in die Kooperation aufgenommen und erhielten aus der Hand von Anna Katharina Bölling, Regierungspräsidentin im Regierungsbezirk Detmold, die Plakette „Schule im NRW-Talentscouting“.
Jugendliche aus nicht-akademischen Elternhäusern sollen ihre Bildungschancen besser nutzen können
„In unserer eher ländlich geprägten Region ist die nächste Hochschule manchmal recht weit entfernt“, sagte die Regierungspräsidentin. „Die Talentscouts überbrücken diese Distanz für die jungen Leute nicht nur räumlich, sondern sorgen auch dafür, dass Jugendliche aus nicht-akademischen Elternhäusern ihre Bildungschancen besser nutzen können.“ Professorin Dr. Ingeborg Schramm-Wölk, Vorsitzende von Campus OWL und Präsidentin der HSBI, ergänzte: „Durch individuelle Förderung und Begleitung erreichen wir, dass junge Menschen ihre Talente bestmöglich entfalten können. Bildungschancen sind nach wie vor stark abhängig von sozialer Herkunft. Mit unserer Arbeit tragen wir ein Stück weit auch zur Entkopplung von Herkunft und Bildungschancen bei.“
Dr. Sabine Graap, Referatsleiterin Studierendenrecht, Ausbildungsförderung, Stipendienwesen im MKW NRW, stellte ebenfalls heraus, dass „das Talentscouting Chancengerechtigkeit und Passgenauigkeit beim Zugang zur Berufsausbildung und zum Studium unabhängig von der sozialen Herkunft erhöht“.
Schülerinnen und Schüler sowie Studierende berichten über ihre Erfahrungen
Mehr als 80 Gäste waren in den Konferenzraum der HSBI gekommen, um die Aufnahme der neuen Schulen in das Talentscouting feierlich zu begehen. Moderatorin Julia Ures führte durch das Programm, Schüler:innen und Studierende berichteten von ihren Erfahrungen: „Ich konnte bereits während der Schulzeit Vorlesungen an der Hochschule besuchen und andere Talente kennenlernen, die Fächer aus meiner Wunschrichtung studieren“, erzählte Renas ehemaliger Schüler eines Berufskollegs in Minden, der nun sein Studium im Fach Bauingenieurwesen der HSBI am Campus Minden aufgenommen hat. „Das hat bei meiner Entscheidung für ein Studium sehr geholfen!“ Auch die langfristige Begleitung der Talente im Übergang von Schule und Studium bzw. Ausbildung und Beruf zeichnet das Talentscouting aus: „Es war für mich beruhigend zu wissen, dass ich die Talentscouts nach dem Studienstart weiterhin erreichen kann“, berichtete Serin, heute Studentin an der Universität Paderborn. „Besonders am Anfang gab es viele Fragen in dieser für mich neuen Welt. Auch bei meinen Bewerbungen für ein Stipendium und für einen Auslandsaufenthalt haben mich die Talentscouts unterstützt. Mittlerweile kann ich meine Erfahrungen auch an die jüngeren Talente weitergeben.“
Begabungen entfalten, zu Leistungsträger:innen der Gesellschaft werden
Annika Ginau, ehemalige Lehrerin an einer Talentscouting-Kooperationsschule und mittlerweile selbst Talentscout an der TH OWL, gab wertvolle Tipps für die erfolgreiche Umsetzung des Talentscouting in der Schule: „Talentscouting ist eine ideale Ergänzung der Berufs- und Studienorientierung an Schulen. Das Scouting richtet sich mit Zeit und Freiräumen an eine Zielgruppe, die Leistungsträger:innen unserer Gesellschaft sein könnten, sich mit ihren Begabungen aber noch nicht völlig entfalten konnten. Lehrer:innen sind dabei die Türöffner und bringen Schüler:innen und Talentscout zusammen. Wenn ich als Lehrkraft diese Türen öffnen durfte, wenn ich sagen konnte: ‚Ich sehe in dir ein Talent, dein Potenzial, und da gibt es jemanden, der dich auf deinem Weg noch intensiver begleiten kann als ich‘ – das waren immer besondere Momente im Schulalltag!“ Mit einem mitreißenden und emotionalen Poetry-Slam-Beitrag rundete das Talent Chiara die feierliche Veranstaltung ab.

17 weitere Schulen wurden an der HSBI feierlich in die Kooperation aufgenommen und erhielten aus der Hand von Anna Katharina Bölling, Regierungspräsidentin im Regierungsbezirk Detmold, die offizielle Plakette. Unten rechts im Bild: Schulleiter Antonio Burgos nach Übergabe der Auszeichnung. © S. Jonek/HSBI
Die Talentscouts sind in OWL an der HSBI, der TH OWL, der Universität Bielefeld und der Universität Paderborn „stationiert“. Kontakt: https://talentscouting-owl.de/
Am Gymnasium St. Xaver ist Helena Lüttig (lt@st-xaver.de) als Ansprechpartnerin für die Koordination der Angebote sowie Termine bei Frau Hierling als Talentscout der TH OWL zuständig.